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Theater Kiel präsentierte Puccinis Oper Turandot im OpenAir-Sommertheater

Der Wettergott meinte es gut am Wochenende, so konnten die beiden letzten Vorstellungen des Kieler Sommertheaters als OpenAir am Samstag und Sonntag (22./23.07.2017) auf dem Rathausplatz planmäßig stattfinden, nachdem die Mittwochsvorstellung wegen schlechten Wetters abgebrochen werden musste.

Nach der Rockoper „Die Räuber“, die im Vorjahr auf dem Seefischmarkt zur Aufführung kam, hatte man für das diesjährige OpenAir-Sommertheater Giacomo Puccinis letzte Oper Turandot ausgewählt. Spielort war diesmal der Rathausplatz vor dem Kieler Opernhaus. Zum Gesamt-Konzept des Theatersommers gehörte auch das kostenlose Public Viewing vor riesigen Videoleinwänden an fünf Standorten in Kiel und Preetz. Rund die Hälfte der Public-Viewing-Gesamtkosten von rund 100.000 Euro kamen dabei laut Kieler Kulturamt durch private Sponsoren zusammen.

Bei der Kieler Turandot-Inszenierung zeichnete Generalintendant Daniel Karasek für die Regie verantwortlich, der in Kiel gerade um weitere fünf Jahre bis 2025 verlängert hat. Generalmusikdirektor Georg Fritzsch hatte seine Philharmoniker nach umfangreichen Tonproben diesmal etwas anders links neben dem Bühnenbild platziert, was der Akustik guttat. Klanggewaltig, aber immer voller Transparenz die großartigen Vokalensembles des Opernchors und Extrachors des Theaters Kiel sowie des Kinder- und Jugendchors an der Oper Kiel.

Bühnenbildner Norbert Zimmermann hatte dem Ensemble eine weite Fläche geschaffen, die Raum zum Spiel gab. Stilisierte eindrucksvolle Mauern der goldenen Stadt Peking in schlichter Formensprache und durchgehend in Weiß gehaltene angedeutete imposante Bauten kamen ganz ohne folkloristisch-chinesisches Kolorit aus.

Giacomo Puccini (1858-1924) erlebte die Uraufführung seiner letzten Oper Turandot am 25. April 1926 in der Mailänder Scala nicht mehr. An seiner Stelle komponierte Franco Alfano den noch unvollendeten Schluss des Werks, indem er Skizzen und Aufzeichnungen Puccinis nutzte.  

Turandot ist mehr als nur die Oper rund um „Nessun Dorma“, das Tenor-Glanzstück, das ganz oben auf den Hitlisten der Opernarien steht. Doch hat sie alles, was große Stimmen so richtig glänzen lässt: Hollywood auf der Opern-Bühne, farbenfrohes Orient-Kolorit, ein wenig Märchen aus 1001 Nacht basierend auf einer Erzählung Nezamis, ein wenig Commedia dell'Arte. Dazu hat Turandot das uralte Spiel um Liebe und Tod zum Thema, und alles ist verpackt in einer italienischen Oper die in gewaltigen Chören und Belcanto-Stimmen schwelgt.

Und darum geht es: Wer die chinesische Prinzessin Turandot freien will, hat drei Rätsel zu lösen. Vollbringt der Bewerber das nicht, wird er enthauptet. Zuletzt trifft das Todesurteil den Prinzen von Persien, der zur Hinrichtung geführt wird. Der entthronte blinde Tatarenkönig Timur stürzt in der Menschenmenge und die Sklavin Liu, die Calaf insgeheim liebt, ruft ihn um Hilfe an. Calaf, der in Wahrheit Timurs Sohn ist, verabscheut Turandots Härte, verliebt sich aber augenblicklich in ihren Liebreiz und stellt sich der Herausforderung.

Es gelingt ihm, alle drei Rätsel zu lösen. Doch die Eroberung der Prinzessin genügt ihm nicht, er will ihre Liebe, weshalb er nun ihr eine Rätselaufgabe stellt. Findet sie bis zum Morgen seinen Namen heraus, will er sterben. Die Sklavin Liu kennt seinen Namen, nimmt sie aber in einer ergreifenden Szene mit in den Freitod um ihn nicht verraten zu müssen. Turandot gebietet nun, dass bis zum Morgen niemand schlafen solle – Nessun dorma. Calaf gelingt es Turandots Widerstände zu überwinden und gemeinsam treten sie am Morgen vor den Kaiser um seinen Namen zu nennen: Liebe. Somit ist das Happy End besiegelt.

Kirsi Tiihonen verkörpert eine Prinzessin Turandot in ihrer kühlen Unnahbarkeit, die erst im Schlussakt beim dritten Rätsel durch Calafs Liebe durchbrochen werden kann. Dario Prola überzeugt in der Rolle des Calaf, die mittlerweile zu seiner Para­de­rolle gewor­den ist. Den Calaf und damit die Arie aller Arien für Tenöre „Nessun Dorma – Niemand schlafe“ sang er im Vorjahr bereits in Ber­gamo, Pavia und Como in die­sem Jahr selbst in Oman. Geschmeidig und mit dem nötigen Glanz in der Stimme sowie zurückhaltend im Agieren überzeugt Prola als Calaf.

Zuweilen sind es die Nebenrollen, die besonders imponieren. So in Kiel eine großartige Agnieszka Hauzer. Mit ihrem warmem, auch in den Spitzen stets weich zeichnenden Sopran beeindruckt und berührt sie in der Rolle Sklavin Liu und deren tiefer, unglücklicher Liebe zu Calaf. Launig und spielfreudig bei gleichzeitigem stets präzisen Gesang zeigten sich die drei Minister Ping (Sihao Hu), Pang (Michael Müller) und Pong (Fred Hoffmann) als belebendes Element der Oper.

Liebe und Tod, den beiden thematischen Gegensätze der Oper wurden von Ballettchef und Choreograph Yaroslav Ivanenko durch zwei symbolhafte Tanzfiguren (Marina Kadyrkulova und Alexey Irmatov) Gestalt gegeben – eine das ja ohne schwungvolle Handlungen auskommende Turandot-Thema sehr belebende und gut integrierte Idee.

Trotz des in dieser Saison zu wünschen lassenden Wetters verbuchte das Kieler Sommertheater einen neuen Besucherrekord. Giacomo Puccinis Oper „Turandot“ hätten vom 15. bis 23. Juli 25.000 Menschen gesehen, erklärte das Kieler Theater am Montag. Darunter seien rund 15.000 Zuschauer an den fünf Public-Viewing-Plätzen gewesen. Der Resonanz der Vorführungen auf dem Rathausplatz habe das nicht geschadet, hieß es. Über 10.000 Zuschauer hätten die Open-Air-Vorstellungen auf dem Rathausplatz erlebt, alle acht Vorstellungen seien mit 97% fast ausverkauft gewesen, bekundete das Theater Kiel. 07-2017 Jäger-Dabek