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Aufgewacht oder nur aufgeschreckt

Die Landtagswahlen des 13.03. in Rheinland-Pfalz, Baden-Württemberg und Sachsen-Anhalt verursachten ein mittelschweres Beben in der politischen Landschaft.  Wenn auch regional sehr unterschiedlich, mussten jedoch in Summe gesehen alle etablierten Parteien massive Stimmenverluste hinnehmen. Die AfD konnte aus dem Stand  zweistellige Ergebnisse verbuchen und avancierte  in Sachsen-Anhalt mit über 24% der Stimmen sogar zur zweistärksten Kraft. Es scheint als hätten viele Wähler nicht nur eine Stimme abgeben, sondern ihre Stimme erheben wollen, weil sie sich von den Altparteien nicht mehr ausreichend wahrgenommen, verstanden und vertreten fühlen. Die erfreulich hohe Wahlbeteiligung ist ein Indiz dafür, dass die Bürger vermehrt aus der apathischen Zuschauerrolle hervortreten und sich zu aktuellen Themen zu Wort melden möchten. Es ist nun fraglich, ob die Vertreter der traditionellen politischen Parteien nur aufgeschreckt oder wirklich aufgewacht sind und erkannt haben, dass sie in der letzten Zeit zu wenig auf die Befindlichkeiten und Sorgen in der Bevölkerung eingegangen sind, sprich einfach versäumt wurde dem Volk „auf`s Maul zu schauen“. In teilweise narzisstischer Überheblichkeit und Ignoranz wurden kritische Einschätzungen als unbegründet und haltlos schnell zur Seite geschoben. Die Landtagswahlen waren sicherlich durch das allgegenwärtige Flüchtlingsthema überschattet und eine Reihe Bürger wollten wohl mit der Stimmabgabe  für die AfD ihr Unbehagen über die aktuelle Flüchtlingspolitik zum Ausdruck bringen, aber viele fühlen sich auch seit langem in ihren existentiellen Lebensumständen abgehangen und sehen in den Etablierten keine Fürsprecher mehr, auch nicht in den Linken. Neuste Untersuchungen belegen, dass die Schere zwischen Besitzenden und Mittellosen im europäischen Vergleich in Deutschland am schnellsten auseinander driftet und immer mehr Menschen sich ins soziale Abseits gedrängt fühlen. Um das Wahlvolk für die Altparteien zu begeistern, ist es aber, wie die Stimmergebnisse zeigen, nicht ausreichend die Akteure des politischen Kontrahenten als rechtsradikale Schreihälse und islamophobe Eiferer zu stigmatisieren und die augenblicklichen politischen Leitlinien als alternativlos darzustellen. Wenn auch die AfD bislang eher durch platte Parolen und verbale Entgleisungen anstatt programmatischer Highlights in Erscheinung getreten ist, könnte es ihr durch eine engagierte und pragmatische Arbeit in den Landesparlamenten nun gelingen das Profil zu schärfen. Dann ist es nicht ausgeschlossen, dass die jetzige Wählerzustimmung keine „Eintagsfliege“ bleibt und der eine oder andere auch längerfristig dort seine neue politische Heimat sieht. Wenn die Etablierten verlorenen Boden wieder gut machen und Wählerstimmen zurück erobern wollen, sind sie gut beraten die Abmahnung der Wähler als Ansporn für die Aufnahme eines intensiven Dialogs mit allen gesellschaftlichen Schichten zu sehen und beginnen ihre politischen Ziele und Lösungsalternativen den Bürgern ehrlich und verständlich zu erläutern sowie einen intensiven, aber auch fundierten, floskelfreien Schlagabtausch mit dem politischen Gegner permanent zu suchen. Wo das zumindest schon ansatzweise funktioniert, wie bei Frau Dreyer und Herrn Kretschmann, können die Früchte der Arbeit eingefahren werden. Es ist anzunehmen, dass sich ähnlich wie in anderen europäischen Ländern such in Deutschland neben dem politischen Linksaußen eine konträre rechtspopulistische Strömung dauerhaft manifestieren wird. Am Beispiel unseres Nachbarn Frankreich ist aber auch zu erkennen, dass es selbst einer erstarkten Front National, mit ihren teilweise abenteuerlichen Thesen, nicht gelingt den gesellschaftlichen Konsens zum Erliegen zu bringen oder gar die demokratischen Grundfeste zu sprengen. Nur immerwährende erhöhte Wachsamkeit oder sagen wir mal einfach ständiger Wahlkampf ist erforderlich. 03-2016 TH