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„Mr. Jones“

Polnische Filmemacherin Agnieszka Holland mit „Mr. Jones“ auf der Berlinale

Agnieszka Holland, die Grande Dame des polnischen Films stellt auf der Berliniale 2019 ihren neuen Film „Mr. Jones“ vor. Der bis dahin unter dem Arbeitstitel „Gareth Jones“ laufende Film wurde zur Überraschung der Regisseurin und der Produzenten in den Wettbewerb um den Goldenen Bären aufgenommen und erlebt nun in Berlin seine Premiere.

Unbestritten hat Agnieszka Holland ein Händchen für große Stoffe und Themen, die sie meisterlich in opulente Bilderwelten umzusetzen versteht. Die Geschichte des Journalisten Gareth Jones hat schon George Orwell und seiner fantastischen Romanparabel „Animal Farm“ als Inspiration gedient, der im Holland-Film im Eingang zitiert wird. Agnieszka Holland führt die Kinobesucher in „Mr. Jones“ in die 1930er Jahr zurück, als die stalinistische Gewaltpolitik zu Millionen von Toten in der ganzen Sowjetunion führte. Zugrunde liegt dem Film „Holodomor“ (Hungersterben), das Geschehen der 1930er Jahre in der Ukraine bei der Zwangskollektivierung der Landwirtschaft. Damals starb jeder vierte Landbewohner im Osten und Süden der Ukraine an Hunger, Kälte oder der Brutalität der Milizen. Überleben konnten Menschen nur unter entsetzlichen Umständen bis hin zum Kannibalismus.

Der Film erzählt das Geschehen aus der Perspektive des von James Norton gespielten britischen Journalisten Gareth Jones und macht das Entsetzen des Journalisten mit dem Blick durch seine zitternde, hektisch sich bewegende Kamera deutlich. Wie taumelnd bewegt er sich durch eine Apokalypse von im Schnee herumliegenden Toten, die verhungert, erfroren oder ermordet sind. So ist es vor allem das Entsetzen von Jones, sein Schmerz, der im Film deutlich wird. Jones ist getrieben vom Willen, der Welt von diesem Verbrechen zu berichten. Und er gerät m Film zwischen die Fronten der großen Politik. In der Sowjetunion soll er mit der Drohung der Hinrichtung von sechs britischen Ingenieuren erpresst werden, Korrespondenten aus dem Westen erweisen sich in Moskau als Stalin-Anhänger. Die Beziehungen zur Sowjetunion erscheinen sowohl was den Handel, als auch was die politische Großwetterlage auf dem Kontinent mit dem Aufstieg Hitlers betrifft, für die britische Regierung wichtiger, als das Leid der Menschen.

Der Film verdichtet das kurze Leben des britischen Journalisten Gareth Jones (1905-1935), der in Mandschukuo erschossen wurde. Von wem, konnte nie geklärt werden. Der Protagonist Gareth Jones in Gestalt von James Norton kommt ein wenig zu idealisiert daher, zu sehr als das personifizierte Gute ohne Fehl und Tadel. Doch: Ein Gareth Jones hätte Hitler kaum stoppen können, auch wenn Agnieszka Hollands Film das nahezulegen scheint. Vor allem aber wird in Hollands Idealisierung ihres Protagonisten eines ausgeblendet:  Der tatsächliche Journalist Gareth Jones hatte anfangs beste Kontakte zum Naziregime und wurde auch deshalb nach seiner Rückkehr nach Großbritannien zum Berater des britischen Premierminister Lloyd George bestellt. Der wahre Gareth Jones war also für viele Seiten unbequem. Im Film ist Jones etwas eindimensional dargestellt, diese Facetten seiner Persönlichkeit kommen nicht vor.

Dennoch, der Film macht nachdenklich, führt zum Grübeln über Korrumpierbarkeit und Unkorrumpierbarkeit, über Wahrheit und Unwahrheit und die Frage, nach welchen Prinzipien und Gewichtungen politische Entscheidungen überhaupt gefällt werden sollten. Denn seien wir ehrlich: Auch in unseren informierten Gesellschaften triumphiert die Wahrheit nicht immer über die Unwahrheit, das Recht siegt nicht immer über das Unrecht. Moral und ethische Grundsätze bilden nicht immer und überall die Grundlage für politische Entscheidungen.

In einem Interview mit dem amerikanischen Magazin „Variety“ erklärte Agnieszka Holland, sie habe den Stoff für eine zeitlos gültige Geschichte gehalten. Erst während der Dreharbeiten habe sie die große Relevanz des Themas erkannt in den gegenwärtigen Zeiten von Schlagworten wie Lügenpresse, Fake News, Korruption, feigen Regierungen und menschlicher Gleichgültigkeit.

So kann Agnieszka Hollands neuer Film „Mr. Jones“ auch als eine Parabel über den Wert von Wahrheit und Unwahrheit, Gerechtigkeit und Ungerechtigkeit angesehen werden - mit einem Schuss Hollywood. 02-2018 Jäger-Dabek

Trailer: https://www.youtube.com/watch?v=vN6hKp8K-Kw